Du Kartoffel!
Ich sitze mit meiner Chipstüte gemütlich vor Netflix und lasse es mir gut gehen. Meine WG Mitbewohnerin kommt nach Hause und begrüßt mich mit den Worten: „Hallo du Kartoffel!“.
Ich sitze mit meiner Chipstüte gemütlich vor Netflix und lasse es mir gut gehen. Meine WG Mitbewohnerin kommt nach Hause und begrüßt mich mit den Worten: „Hallo du Kartoffel!“. Irritiert halte ich ihr die Chipstüte hin und frage, weswegen sie mich so nennt. Sie erklärt ganz einfach: „Ihr Deutschen esst doch ständig Kartoffeln.“
Es ist wohl war: Wir lieben Kartoffeln!!!
Wir essen sie in allen Varianten: gekocht, püriert, frittiert, gebraten, gebacken, gepellt und mittlerweile auch aus dem Thermomix. Aus multiethnischer Sicht dient der Begriff auch als Abgrenzung zwischen „Deutschen“ und „Ausländern“. Essgewohnheiten werden hier als Teil der eigenen Identität angesehen, um sich von anderen Gruppen zu distanzieren. Dabei erweist sich die klischeehafte Annahme, dass Deutsche überdurchschnittlich viele Gerichte basierend auf Kartoffeln essen, als Vorurteil. Der EU-weite Vergleich zum Pro-Kopf-Verbrauch von Kartoffeln zeigt, dass Deutsche weniger Kartoffeln essen als der EU-Durchschnitt.
..und nein wir trocknen auch keine Tränen damit
In den 50er Jahren aß jeder Deutsche rund 180 Kilogramm Kartoffeln im Jahr und viele Haushalte hatten einen eigenen Kartoffelkeller. Heute sind es weniger als 60 Kilogramm. Eine vielfältige Beilagenauswahl: Reis, Quinoa, Linsen, Buchweizen, Hirse, Nudeln drängt auf deutsche Teller. Auch wenn die Kartoffel im Abseits liegt, passt sie als Art Superfood aus regionalem Anbau hervorragend in nachhaltige Ernährungspläne und feiert mit alten Sorten ein Comeback.
Die waren Kartoffelkönige sind übrigens die Letten
Alman Shaming, Deutschenfeindlichkeit
Kartoffelchips, Kartoffelfritten, K-püree, K-suppe, K-salat, K-brot K-brei, K-kloß und verbindet leider das K-Wort mit Alman Shaming. Der Ausdruck kann auch als Reaktion auf Schimpfworte wie „Kümmeltürke“, „Spaghettifresser“, „Reisfresser“ usw. verstanden werden. Zum einen wird der Begriff in Form von rassistischen Äußerungen, Hate Speech in sozialen Medien verwendet und zum anderen als Humor in der Kinder- und Jugendsprache verstanden. Als Stereotyp für Deutsche ist die Bezeichnung Kartoffel genauso wie Alman oder Biodeutsch nicht mehr wegzudenken. Du hörst es Zuhause, auf Schulhöfen und in Rap Songs. Ziemlich kontrovers! Deswegen ist Begriff auch sooft Thema in politischen Debatten.
Lyrics von Akne Kid Joe — Kartoffel (Album Karate Kid Joe)
„Heute ein Deutscher,morgen ein Rassist, im Geist eine Kartoffel, du bist was du isst“
Kartoffel als Globalplayer — ein kulturgeschichtlicher Rückblick
Doch so deutsch, wie alle immer tun, ist die Kartoffel überhaupt nicht. In den südamerikanischen Anden wurde sie bereits vor rund 8000 Jahren angebaut. Wie andere amerikanische Gemüsesorten wie Tomaten, Mais, Paprika, Kürbisse — eroberte sie erst in den letzten 300–400 Jahren Europa.
Siegeszug der Kartoffel in ganze Europa
Mitte des 16. Jahrhunderts brachten im Zuge des Kolonialismus die spanischen Eroberer die Kartoffel mit nach Europa. Zunächst wurde nur ihre schöne Blüte geschätzt. Es sollte noch einige Jahrhunderte dauern bis man auch den Mehrwert ihrer Knolle erkannte. Pflanzliche Kohlenhydrate und Eiweiß, essentielle Aminosäuren, Vitamine. Sie ist ertragreicher als Getreide, wächst auch auf nährstoffarmen Boden und kann einfach gelagert und verarbeitet werden.
Sie ist international und steht an erster Stelle als Globalplayer der Kulturpflanzen.
Kartoffelbefehl
All das bereitete im 18. und 19. Jahrhundert den Siegeszug der Kartoffel in ganz Europa, dessen rasant steigende Bevölkerung versorgt werden musste. Der preußische Herrscher Friedrich II. erkannte das Potenzial der Kartoffel als Grundnahrungsmittel und sorgte mit verschiedenen Maßnahmen, wie den Kartoffelbefehlen, dafür, dass mehr Kartoffeln angebaut wurden. Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm von 1873 erwähnt „mancherlei scherz“, der mit der Bezeichnung Kartoffel getrieben wurde. Unteranderem wird die Bezeichnung „Kartoffelsachsen“ und „Kartoffelwänste“ benannt, „weil die kartoffeln oft ihre einzige nahrung sind“. So kam die Kartoffel als Essen der einfachen Leute zu einem biederen Ruf. Die negative Bezeichnung ist also definitiv keine Modeerscheinung des 21. Jahrhunderts.
Chips international - riesige Auswahl
Ich nehme es mit Humor, dass mich meine WG Mitbewohnerin Kartoffel nennt. Schließlich sind ihre Lieblingssnacks auch aus Kartoffeln, genauer Kartoffelchips. Sie bestehen aus dünnen, frittierten oder gebackenen Kartoffelscheiben. Sie werden weltweit von unterschiedlichen Herstellern in verschiedenen Geschmacksvarianten angeboten. Die, die wir gerade verputzen CHIPZZ kommen aus Spanien.
Besonders mag ich es, wenn man die Kartoffel noch rausschmecken kann. Kaum ist die Tüte offen, sind sie auch schon aufgegessen und das böse K-wort ist fast vergessen.